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Ägyptisches Museum, Kairo

 
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Frankfurter Rundschau, 04.06.2004: „Der Fluch des Pharao"

Skandale und Diebstähle im ägyptischen Museum Kairo

Eine dicke Staubschicht, mehrere Zentimeter hoch, angesammelt in wohl mindestens 100 Jahren. Die Feuchtigkeit hat sie zu einer festen Masse werden lassen, die auf allem klebt. Was der Staub verbirgt, lässt sich nur erahnen. Bei näherem Hinsehen ist eine Reihe von menschlichen Schädeln zu erkennen. Bei den länglichen Holzkisten, die daneben übereinander gestapelt sind, verrät die grobe Form, dass es sich um Sarkophage handeln muss. Von Farben keine Spur. Alles grau in grau.

Wafa el-Saddik lässt das Bild auf ihrem Laptop stehen. Was sie in ihrem Computer dokumentiert, sind keine Fotos einer archäologischen Ausgrabung irgendwo in der ägyptischen Wüste. "So fand ich den Keller des ägyptischen Museums vor, als ich hier 2004 angefangen habe", erklärt die 55-jährige Archäologin und Museumspädagogin. Sie ist seit Februar 2004 Direktorin des Ägyptischen Museums in Kairo, das eine der berühmtesten Antiquitätensammlungen der Welt besitzt - darunter die Goldmaske des Pharao Tutanchamun und den gesamten Schatz aus seinem Grab.

"Wir machen hier unsere eigene Ausgrabung", sagt sie. Wafa el-Saddik, die zweite Frau an der Spitze der 100 Jahre alten Institution, sitzt in ihrem bescheidenen, dunklen Büro gleich rechts vom Haupteingang des Museums. Sie spricht perfektes Deutsch - hat sie doch in Wien ihren Doktor in Archäologie gemacht und danach jahrelang in Köln gearbeitet, wo ihr ägyptischer Ehemann die Dom-Apotheke betrieb. "Der Keller gleicht einem Labyrinth, jeden Tag entdecken wir neue Schätze." Wafa el-Saddik lächelt und gibt sich locker. Doch man spürt, das ihr nicht zum Scherzen zumute ist.

Was sich jahrzehntelang im Keller des berühmten Hauses im Stadtzentrum von Kairo abgespielt hat, muss jeden Archäologen und Kunstliebhaber erschüttern. Die einmaligen Funde aus ägyptischen und ausländischen Grabungen wurden ungeordnet und unbeschriftet in dem unterirdischen Lager gestapelt, in einem der unzähligen Gänge, beleuchtet von Glühbirnen, die von der Decke hängen. Oft ohne Abdeckung gegen Staub, Feuchtigkeit und andere organische Schädlinge. Den öffentlich zugänglichen Museumsräumen in den oberen Stockwerken, in denen traumhaft schöne Funde relativ lieblos, oft noch ohne aufklärende Beschriftung oder besondere Beleuchtung, aneinander gereiht sind, kann der Besucher noch einen gewissen Charme abgewinnen. Die Vernachlässigung des historischen Erbes im Keller macht dagegen ratlos. Zumal die Ägypter ausgesprochen stolz sind auf ihre pharaonische Vergangenheit, die auch im Alltag immer wieder beschworen wird.

Doch nun will sich das zeitgenössische Ägypten seiner Vorfahren würdig zeigen: Seit einem Jahr durchforsten zwei Gruppen, die aus jeweils drei Archäologen und einem Restaurator bestehen, die unterirdische Schatzkammer. "6000 Särge und 2000 Töpfe haben wir bisher in unserem Computersystem erfasst", weiß Wafa el-Saddik. Die Objekte werden gereinigt und in Regalen geordnet. Eine "Herkulesaufgabe" nennt sie das. Und sie schätzt, dass ihre Mannschaft noch etwa zwei Jahre braucht, um eine vollständige Inventarliste zu erstellen. "Wenn man uns in Ruhe arbeiten lässt."

Dieser kleine Nebensatz spielt wohl an auf die Skandale, die das Museum regelmäßig erschüttern. Da die Pharaonen und ihr Totenkult schon immer die Gemüter bewegt und die Fantasie beflügelt haben, überrascht es wenig, dass bereits vom "Fluch der Pharaonen" die Rede ist. Nur eine Woche nachdem Wafa el-Saddik die Museumsleitung übernommen hatte, wurde plötzlich ein Sandsteinrelief des Nilgottes Hapi vermisst. Japan hatte das wertvolle Stück 1984 an Ägypten zurückgegeben, weil es illegal außer Landes geschmuggelt worden war. Seither wurde es im Keller gelagert, konnte aber für eine Sonderausstellung nicht aufgefunden werden. Auf der Suche nach dem Objekt stieg die neue Chefin zum ersten Mal in den Keller. "Ich muss einen Schutzengel haben", sagt Wafa el-Saddik, "denn beim zufälligen Öffnen eines beliebigen Kartons fand ich das fehlende Stück." Gleichzeitig hatte sie ihre neue Aufgabe entdeckt.

Doch Wafa el-Saddik will nicht nur den Keller ordnen. Auch die Ausstellungsräume in dem blassrosafarbenen Gebäude aus dem Jahre 1900 sollen modernisiert werden: Neue Beleuchtung, neue Beschriftung und eine Klimatisierung der Schaukästen sind geplant. Ein neuer Mumiensaal wird derzeit eingerichtet für die Überreste von Priestern und ihren Familien, die im Lager aufgetaucht sind. "Diese Mumien sind besser erhalten als die bereits ausgestellten Königsmumien", freut sich die Direktorin. Auf dem Dach sollen eine Cafeteria und ein Restaurant einziehen.

In einem nächsten Schritt sollen ein Servicebereich mit Informationszentrum, Labor und Museumsschule unterirdisch unter dem Vorgarten des Museums entstehen.
 

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