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Ägyptisches Museum, Kairo

 
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KSTA, 15.02.2002: „Die Farben der Kinder von Assuan"

Ein Modell macht Furore: Kölner Museumspädagogik erobert Ägypten

Dagmar Schmidt vom Kölner Museumsdienst brachte eine Lawine ins Rollen.

VON RÜDIGER HEIMLICH

Von Mumien, sollte man meinen, verstehen die Ägypter … etwas. Schließlich legten schon in der Pyramidenzeit, also 2600 Jahre vor unserer Zeitrechnung, die alten Ägypter ihre Toten in den Streckverband. Und drei Jahrtausende lang wurde regelrecht am Fließband balsamiert und bandagiert, Gesichtsmasken aus Kartonage und Stuck modelliert und wunderbar bemalt.

Doch die hohe Kunst geriet in Vergessenheit - bis nun im Februar dieses Jahres Dagmar Schmidt das Handwerk vom Rhein zurück an den Nil brachte. Und dort eine wahre Mumien-Euphorie unter nubischen Kindern auslöste. Das kam so: Seit einigen Jahren pflegt der Kölner Museumsdienst freundschaftliche Beziehungen zu den nubischen Museen in Assuan und Luxor. Die Ägypterin Wafaa El Saddik knüpfte das Band. Die in Köln lebende Ägyptologin gründete 1999 den Verein "CATS", der sich dafür engagiert, dass sich in Ägypten nicht nur Touristen für das antike Erbe interessieren, sondern auch die Ägypter selbst. "Wir sind zwar stolz auf unsere Geschichte", erzählt sie, "aber wir wissen zu wenig darüber".

Als die vom aktiven Dienst beurlaubte Direktorin der ägyptischen Altertümer-Verwaltung vor 14 Jahren zu ihrem Mann nach Köln zog, entdeckte sie hier das Konzept der Kölner Museumspädagogik als Vorbild für die Museen in Ägypten. "Wie hier schon die Kinder für Kunst und Geschichte interessiert werden, dieses Konzept fand ich absolut überzeugend." Dagmar Schmidt ist seit 1987 freie Mitarbeiterin des Kölner Museumsdienstes. Einigen hundert Kindergartenkindern, Schulklassen und Erwachsenen hat die freischaffende Künstlerin seitdem die Bilder und Plastiken von Wallraf-Richartz-Museum und Museum Ludwig auf praktische Weise näher gebracht.

Malen und basteln nach der Art eines Picasso oder Yves Klein, farbenfrohe Masken aus Gips oder Ton modellieren nach dem Vorbild der Schamanenkunst im Rautenstrauch-Jost Museum. Die Kinder erzählen Geschichten, die sie auf den Bildern entdecken, bringen auf Instrumenten Farben zum Klingen, und manches Bild lädt sie sogar zum Versteckspielen ein. So entfalten sie spielerisch den Sinn für Farben und Formen, mit Ergebnissen, die Dagmar Schmidt immer wieder begeistern und erstaunen.

"Aber vor allem steht der Spaß, den das gemeinsame Kunstwerkeln den Kindern bereitet", erzählt sie. Als Wafaa El Saddik letztes Jahr anregte, doch einmal mit den Kindern der Junkersdorfer Ildfons Herweg Schule eine Mumie zu basteln, da begeisterte das Experiment derart, dass die zwei Dutzend CATS-Vereinsmitgleider einen Freiflug nach Luxor und Assuan spendierten. Dagmar Schmidt wurde die erste Kölner Museumspädagogin, die für ein 14-tägiges Praktikum an den Nil reisen konnte, um dort mit ägyptischen Pädagogen und nubischen Kindern zusammenzuarbeiten.

"Das war gar nicht so leicht, dort das Material zu beschaffen", erzählt Dagmar Schmidt, die seit wenigen Tagen wieder in Köln ist. "Die Kinder brachten Draht, der so hart war, dass wir alle Mühe hatten, etwas damit zu formen. Den Ton für die Maske holten die Museumswärter abends aus einer Tongrube 60 Kilometer nilabwärts, und die Farben konnten wir am Freitag, wo in Ägypten sonst nichts geht, im Laden eines Kopten kaufen." Aber dann ging´s los: Mit Papier und Kleister wurde bandagiert, Goldmasken aus Metallfolie geformt.

Die Museumwächter in ihren Galabijas schauten den Kindern zuerst noch streng über die Schultern. Sana´a Hassan, die Museumspädagogin des neuen Nubischen Museums in Assuan, führte die Kinder immer wieder zur Vitrine mit den echten Mumien. Es wurde sogar ein Sarg geöffnet, und die erstaunten Touristen sahen, wie ein Dutzend Kinderköpfe hineinlugten und tuschelten. "Und dann sprach sich das herum, und täglich kamen mehr Kinder, bis wir zuletzt alle draußen im Museumsgarten malten und Farben mischten" - die Museumswärter pinselten, drei Dutzend Kinder pinselten und auch die Direktoren pinselten Hieroglyphen auf die Drahtpapier-Mumie. Dagmar Schmidts Fotos zeigen geschäftige Kinder in Assuan und Luxor. Alle sind bei der Sache und wollen zuletzt mit der Mumie aufs Bild.

"Die nubischen Kinder haben ein solches Geschick", schwärmt die Künstlerin, "eine tolle Improvisationsgabe und einen wunderbaren Sinn für Farben." Für Wafaa El Saddik sind diese Fotos mehr wert als jede steuerlich absetzbare Spendenquittung. "Als ich die Idee der Museumspädagogik vor 14 Jahren in Kairo vorstellte, da fand man das dort kindisch. Es wurde nicht ernst genommen." Heute sei das anders. "Diese Fotos dokumentieren erneut, wie begeistert gerade auch Erwachsene basteln und malen", sagt Frau El Saddik und lacht. Weil sie sich hartnäckig engagiert, arbeiten heute die Museen in Alexandria, Luxor, Assuan und Port Said, bald auch das Museum in der Oase Kharga nach dem Kölner Vorbild.

Ende Mai werden zwei ägyptische Mueseumspädagoginnen zu einem Praktikum nach Köln kommen, finanziert auch von privaten CATS-Sponsoren. Zuletzt, davon ist Wafaa El Saddik überzeugt, wird die Museumspädagogik auch ihren Sieg im konservativen Kairo verkünden. Bis dahin, sagt sie, ist sie für jede Spende für Papier, Draht und Farben für die nubischen Kinder dankbar. Dagmar Schmidt indes wurde für ihr unentgeltliches Engagement auf eigene Weise belohnt. "Ich habe in den Dörfer gesehen, wie die Nubier ihre Häuser bemalen, ihre Farben und Ornamente. Alles mit einfachen Mitteln, sehr geschmackvoll. Man findet dort alle Nuancen von Blau oder Türkis, die Farben des Himmels, des Nils und der Wüste in den Straßen und Höfen wieder."

Viele von Dagmar Schmidts Arbeiten in ihrem Kölner Atelier sind inspiriert von den Farben und Formen der üppigen Fruchtopfergaben der Menschen auf Bali. Jetzt darf man gespannt sein, wie sich Nubien auf der Palette der Künstlerin wiederfinden wird.
 

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